Als Raum für zeitgenössische Kunst und Kommunikation freut sich EIGENHEIM Weimar das Goethe-Institut im Exil im Spätsommer im Gärtnerhaus des Weimarhallenparks zu Gast zu haben.
In den Ländern, in denen das Goethe-Institut und andere internationale Kulturinstitutionen aufgrund von Kriegen oder Zensur ihre Standorte schließen mussten, gehen für viele Künstler*innen und Intellektuelle Räume für Widerspruch, Dialog und interkulturellen Austausch verloren. Das Goethe-Institut im Exil ist Begegnungsort, Schutzraum und Bühne für Kulturschaffende, die wegen Krieg oder Zensur in ihrem Heimatland nicht mehr arbeiten können.
Das 2003 wiedereröffnete Goethe-Institut Afghanistan unterstützte die damals noch bestehende Kulturszene bei ihrem Wiederaufbau und förderte das Entstehen neuer kultureller Praktiken. Das Institut wurde 2017 durch einen Anschlag schwer beschädigt und musste daraufhin die Arbeit einstellen. Seit der Machtübernahme der Taliban 2021 ist die derzeitige Lage in Afghanistan äußerst schwierig: das Land ist isoliert und Frauen sind aus dem öffentlichen Leben weitestgehend verbannt. Auch für Künstler*innen war die Rückkehr der Taliban verheerend. Um die Welt gingen Bilder, in denen Taliban-Kämpfer Musikinstrumente verbrannten und Künstler*innen aus Angst ihre eigenen Kunstwerke vernichteten. Kulturschaffende in Afghanistan und in der Diaspora versuchen weiterhin künstlerisch aktiv zu sein. Während es einige Kulturschaffende geschafft haben, das Land zu verlassen, warten andere noch immer auf die Möglichkeit zur Flucht.
Das Goethe-Institut im Exil widmet sich in der zweiten Jahreshälfte 2023 der Kulturszene Afghanistans und gibt afghanischen Kulturschaffenden eine Bühne. Neben einem Festival welches vom 30.6. bis zum 2.7. mit Theaterperformances, Lesungen, Podiumsdiskussionen, Konzerten, einem Radio-Programm, Workshops und einem partizipatives Street-Art-Projekt im Berliner Kunsthaus ACUD stattfand, haben wir nun die Freude die von Armeghan Taheri konzipierte Ausstellung AFGHAN FUTURISM: TRANSFORMING IMAGINATION sowie das Mural, des Kunstkollektivs ArtLords unter Leitung von Omaid Sharifi und Kabir Mokamel, im Gärtnerhaus des Weimarhallenparks bei EIGENHEIM Weimar während des Kunstfestes zu präsentieren.
Die Ausstellung Transforming Imagination: Afghan Art Between Tradition and Rebellion mit Arbeiten von Shiraz Fazli, Parwana Haydar und dem AVAH Collective, Qeas Pirzad und Shamayel Shalizi umfassen eine historische und zugleich traumartige kulturelle Ästhetik, die einen Blick nach vorn und gleichzeitig einen Blick zurück ermöglicht. In dieser Spannung zwischen Tradition und Rebellion, die sowohl als Referenz als auch als Maske dient, werden neue emanzipierte Wahrheiten außerhalb der dominanten Kulturnarrative geschaffen. Gemeinsam versuchen die Künstler*innen, eine kollektive Vision für die Zukunft zu entwickeln, die sich aus den Erfahrungen der afghanischen Diaspora ableitet.
Weimar
23.08.2023 - 10.09.2023Transforming Imagination:
Afghan Art Between Tradition and Rebellion
Ort EIGENHEIM Weimar
Asbachstraße 1, 99423 Weimar
Eröffnung 23.08.2023 um 19 Uhr
Dauer 24.08. – 10.09.2023
Öffnungszeiten Do. – Sa. 16 – 19 Uhr sowie nach Vereinbarung
teilnehmende Künstler*innen Shiraz Fazli, Parwana Haydar und das AVAH Collective, Qeas Pirzad und Shamayel Shalizi sowie das Kunstkollektiv ArtLords mit Omaid Sharifi und Kabir Mokamel
Begleitprogramm Kurzfilme aus dem Simurgh Center, Radioprogramm des Goethe-Institut im Exil, Magazine und Bücher von afghanischen Künstlerinnen und Künstlern u.a. Afghan Punk Rock Magazin von Armeghan Taheri
Link zum Radioprogramm Goethe-Insitut im Exil
Informationen
Teilnehmende Künstler*innen
Shiraz Fazli ist eine in Brooklyn ansässige Künstlerin und Pädagogin. In ihrer Arbeit verbindet sie Textilien mit Malerei, um Kleidungsstücke, Puppen und Wandteppiche zu schaffen, die eine Perversion afghanischer Motive, Sprache und Traditionen darstellen. Sie stellt Humor und Absurdität in den Vordergrund, die sich daraus ergeben, dass sie mit einem afghanischen Hintergrund im imperialen Kernland aufgewachsen ist, und hinterfragt die vorherrschenden Vorstellungen von der afghanischen Opferrolle. Als Künstlerin und Pädagogin nutzt sie Afghanistan als Ausgangspunkt für künstlerische und historische Untersuchungen. 2019 hat Fazli ihr Studium der Middle Eastern Studies am Bard College absolviert und hat ihre Kunst unter anderem in der Living Gallery, der ReflectSpace Gallery und im The Documentarian Mag ausgestellt.
Parwana Haydar ist eine in London ansässige Filmemacherin und Kuratorin. Sie hat einen BA-Abschluss in Sozialanthropologie und Persisch von der SOAS, University of London. Sie ist Absolventin der Other Cinemas Filmschule und der South London Gallery Creative Filmschule. Ihre künstlerische Praxis ist von Persönlichem geprägt, das von strukturellen und globalen Themen wie Vertreibung, Krieg und Trauer überschattet wird. Ihre Filme und Installationen erforschen die Lücken zwischen Realismus, Surrealismus und Spekulation. Sie ist Stipendiatin des deutschen Hanse Wissenschaftskollegs, wo sie den Auftrag erhielt, einen Film für die Städtische Galerie in Delmenhorst zu entwickeln und zu drehen, der sich mit dem Thema Kindheitserinnerungen auseinandersetzt. Sie ist Mitglied des Afghan Visual Arts and History Collective (AVAH), einem unabhängigen kuratorischen Forschungskollektiv und einer Multimedia-Plattform für Künstler*innen aus Afghanistan und der afghanischen Diaspora.
AVAH (Afghan Visual Arts &History) ist ein unabhängiges und globales Forschungskollektiv und eine Multimedia-Plattform. Es entstand aufgrund des Mangels an verfügbaren Informationen und langfristigen Initiativen zu den historischen und zeitgenössischen Praktiken mit Ursprung in Afghanistan oder im Zusammenhang mit Afghanistan. Durch das Sammeln von Kunstgeschichten, die Kontextualisierung von Praktiken und die Schaffung eines professionellen Netzwerks will AVAH wichtige Ressourcen schaffen, die zum Verständnis der Vergangenheit beitragen und die aktuelle Generation von Künstler*innen und Kulturschaffenden im In- und Ausland ausrüsten.
Qeas Pirzad setzt sich in seinem Werk kritisch mit der Schaffung von personalisierten Realitäten auseinander. Als Nachkomme afghanischer Einwanderer in den Niederlanden hat Pirzad schnell die Fähigkeit erlangt, die kontrastreichen Lebenswelten innerhalb und außerhalb seiner Heimat zu erfassen. Pirzad studierte an der Königlichen Akademie der Künste in Den Haag, bevor er nach Berlin zog. Als multidisziplinärer Künstler arbeitet er mit verschiedenen Medien wie Öl auf Leinwand, digitale Collage, Skulptur, Poesie und Performancekunst aus.
Shamayel Shalizi ist eine afghanische Multimedia-Künstlerin und Gründerin des Schmuck- und Bekleidungslabels Blingistan, das sich auch in den Bereichen Communitybuilding und Wissensvermittlung engagiert. Shamayel Shalizi engagiert sich in verschiedenen Grassroot-Organisationen in Afghanistan und ist Co-Moderatorin des Podcasts „Diaspora Passing”, der darauf abzielt, die Beziehungen innerhalb der globalen afghanischen Gemeinschaft zu stärken. Im November 2021 veröffentlichte sie eine Gedichtsammlung mit dem Titel "аткнись". Zudem nutzt sie Malerei, Fotografie, Videografie und Installationen, um Themen wie Identität, Trauma, Imperialismus, Krieg, Vertreibung und Heimat zu ergründen.
Das Kunstkollektiv ArtLords wurde im Jahr 2014 gegründet. Es ist eine globale Basisbewegung von Künstler*innen, die von dem Wunsch angetrieben sind, den Weg für sozialen Wandel und Verhaltensänderungen zu ebnen, indem sie die „Soft Power" von Kunst und Kultur als nicht-invasiven Ansatz nutzen.
Informationen
Mit einem dreitägigen Festival vom 30. Juni bis zum 2. Juli 2023 startete der Länderschwerpunkt Afghanistan des Goethe-Instituts im Exil. Während des Festivals wurden am Berliner Kunsthaus ACUD zahlreiche künstlerische Produktionen aus der afghanischen Diaspora und der deutsch-afghanischen Kunstszene präsentiert. Das Kunsthaus ACUD verwandelte sich für den Zeitraum des Festivals in einen Projektraum für afghanische Kunst- und Kulturschaffende. Teil des vielfältigen Programms waren Konzerte, Diskussionsveranstaltungen, Lecture Performances, Workshops und ein Kinderprogramm.
Mit diesem Video können Sie die Eindrücke vom Festival Revue passieren lassen.
Produktion: David San Millán
Musik: Farhot
Goethe-Institut im Exil, 2023