Mit einer vergangenen Vision des Wohnungsbaus beschäftigt sich Enrico Freitag in zwei Gemälden, inspiriert von einer Messerschmitt Reihenhaussiedlung. Das Flugzeugunternehmen Messerschmidt baute in den 1930er Jahren Einfamilienhäuser für seine Mitarbeiter um diese langfristig an das Unternehmen zu binden und somit abhängig zu machen. Sensibel, surreal und grotesk behandelt die Fotografin Nina Röder in der Serie Wenn du gehen musst, willst du doch auch bleiben die Themen Flucht, Vertreibung und Wiederansiedlung. Die farbigen Mittelformatfotografien zeigen Interieurs aus dem Haus der Großeltern und performative Annäherungen an Objekte, mit denen Erinnerungen und Familiengeschichten verbunden sind. Die Großeltern flohen während des Krieges als Sudetendeutsche nach Süddeutschland, fanden hier eine neue Heimat, bezogen ein neues Haus und entwickelten, nach dem damaligen Verlust ihrer Habseligkeiten, eine ausgeprägte Sammelleidenschaft.
Prekäre Wohnsituationen, damals wie heute behandelt Frederik Foert auf seine ihm eigene Art der kunsthistorischen Zitataneignung, in Zusammenhang mit autobiografischen Einschüben. Frederik Foert lebt und arbeitet in Berlin, Wien und Peking, wobei ihn seine Wohnung in Wien, in dem von ihm fotografierten Ausschnitt, an das Bild Der Arme Poet von Carl Spitzweg aus dem Jahr 1839 erinnert. Kurzerhand steht eine historische Postkarte der Malerei Spitzwegs Pate für die Fotografie und wird zu einem spielerischen Gleichnis bezogen auf seine Wiener Wohnung. Eine weitere Exkursion in die Kunstgeschichte wird mit Arbeiten von Heinrich Zille unternommen. Der 1929 in Berlin verstorbene Grafiker, Maler und Fotograf war sozialkritischer Zeitzeuge der prekären proletarischen Berliner Lebensumstände zur Jahrhundertwende. In der Ausstellung werden drei Lithografien aus einer Grafikmappe von 1919/20 gezeigt die u.a. das bekannte Zitat "Man kann mit einer Wohnung genauso gut einen Menschen töten, wie mit einer Axt." enthalten.
Die satirischen Plakate des Grafikers, Karikaturisten, Anwalts, jahrelangem Präsident der Akademie der Künste und Publizist Klaus Staeck sind Zeugnisse seiner politischen Haltung. Seine Satire provoziert immer wieder Politiker in konservativen Kreisen und erhebt sich gegen gesellschaftliche Ausbeutung und Ungleichheit. Die in der Ausstellung gezeigten Plakate sind eine Auswahl, welche sich kritisch mit Bauunternehmertum, dem Mietrecht oder der politischen Ausrichtung der CDU/CSU und FDP auseinandersetzen. Das Künstlerkollektiv Nøne Futbol Club aus Paris zeigt drei verschiedene Arbeiten aus den Bereichen Video, Objekt und Druckgrafik. Das Wandobjekt Work nº4-40 : Coût de dette, balayette, (zu Deutsch: Schuldenkosten, Kehrbesen) aus dem Jahr 2022 besteht aus einer Zinn-Blei-Legierung und zeigt eine stetig ansteigende Kurve, die an einen Börsenkurs erinnert der unter Herzflimmern leidet. Die Grafik mit dem Namen Work nº068: French Cancan Ballet (dt. französisches Tanzballett) zeigt einen Polizisten, der während eines Aufruhrs sein Bein hebt, um sich vor dem Feuerball eines Brandgeschützes zu sichern. Die Geste wird hier umgedeutet, um eine Grafik im Stil des Moulin Rouge zu schaffen. Eine Systemumkehrung wird zur Metapher für die notwendigen gesellschaftlichen Neuorientierungen.
Das gerade in Großstädten wie Berlin oder München der Wohnungsmarkt außer Kontrolle geraten ist und sich innerhalb von fünf Jahren die Mietpreise verdoppelt haben, ist ein prägnanter Hintergrund der Guerilla-Intervention Penthouse à la Parasit des in Berlin lebenden Künstlers Jakob Wirth. In der Aktion gelingt es ihm, ein kleines vollverspiegeltes Haus, ohne das Wissen der Eigentümer, auf deren Dach zu montieren. Das Penthouse à la Parasit versucht sich der Beschleunigung des Wohnungsmarktes zu widersetzen. Es eignet sich seinen Platz an, experimentiert mit den Grenzen und Normen des Baurechts und der Eigentumsverhältnisse und stellt damit die festgelegten Hierarchien des Wohnungsmarktes und die Ordnung der Stadt infrage. Das in der Ausstellung präsentierte Video zeigt, in überzogener Manier eines Werbevideos, dass man sich für eine Übernachtung in diesem prekären Penthaus bewerben kann. Eine weitere zentrale Arbeit in der Ausstellung ist in einem Kollektiv entstanden, in dem auch Jakob Wirth engagiert ist.
Das Kollektiv Operation Himmelblick, bestehend aus das Vertretern der Bereiche Kunst, Architektur, Soziologie, Ökonomie und Städtebau. In Berlin Alt-Hohenschönhausen hat es auf einem seit 20 Jahren brachliegenden Gelände mit leerstehenden Plattenbauten ein Artist in Residence Programm ins Leben gerufen und auf diese Weise die Potenziale einer vergangenen Vision des Wohnens zu untersuchen und die Ressourcen des Leerstandes in Erinnerung zu rufen. Der in Nürnberg ansässige Künstler Winfried Baumann arbeitet an der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Design und entwickelt seit 2001 Wohnsysteme für Obdachlose und andere urbane Nomaden. Was bedeuten ein Dach über dem Kopf, Obdach, Heimat, Wohnen und Leben heute und in Zukunft? Das Projekt Instant Housing ist zwischen materieller Funktionalität und einem künstlerischen Konzept angesiedelt, das flexibel auf eine sich verändernde, mobilere Gesellschaft mit ihrem Anforderungsspektrum reagiert und dies mit seinen vielen verschiedenen Modellen exemplarisch visualisiert. In der Ausstellung wird eine Arbeit aus der Shopping Cart Serie mit dem Titel Netto-900 gezeigt – ein Einkaufswagen mit übertrieben umfangreicher Ausstattung bestehend aus Satellitenschüssel, Photovoltaikanlage, Laptop und natürlich Schlafliege und Schlafsack.
Andreas Grahl und Samira Gebhardt preisen in ihrer Videoarbeit derrechtewinkel diesen als zivilisatorische Errungenschaft. Metaphorische Bilder und fragmentarische Poesie vermitteln das Gefühl der Beklemmung, die durch Ordnung und Reihung der Architektur der Moderne entsteht. Benedikt Braun zeigt das Objekt Hausieren verboten und die Lichtinstallation In der Ecke ändert sich Alles. In dieser geht es um die Hervorhebung des gesellschaftlichen Randes und um die Potenziale, die in eben diesen Ecken schlummern. Auch der Film What it takes to make a home von Daniel Schwartz und Giovanna Borasi beleuchtet und diskutiert das Leben am Rand der Gesellschaft. Dieser konzentriert sich auf Ursachen und Bedingungen von Obdachlosigkeit und stellt die Frage, welche Rolle Architekten bei der Überwindung der Stigmatisierung von Menschen mit Obdachlosigkeit spielen können, um integrativere Städte zu schaffen. Eine kleine Bibliothek mit ausgesuchten Publikationen zu Utopien in Architektur und Urbanistik, Wohnungsbau und einschlägiger zeitgenössischer Kunst vervollständigt das Ausstellungsangebot.