Im Pandemie bedingten Lockdown stellt das Spazierengehen eine der wenigen Aktivitäten dar, der Isolation der eigenen vier Wänden zu entfliehen. Ein Spaziergang führt uns an die frische Luft, in den Park oder in die Stadt. Unabhängig des Alters dient er zur Erholung und zur körperlichen Betätigung. In Anbetracht der Umstände ist das Gehen für viele zu einer unverzichtbaren Routine im Alltag geworden, die wesentlich zur Aufrechterhaltung der eigenen Lebensstruktur beiträgt.

Mit seiner Arbeit Identical Walk stellt Tobias Zimmer am Beispiel des Spazierengehens die Frage, was es als Routine auszeichnet und wie er dieses aus künstlerischer Sicht in seinen Alltag integrieren kann. Sein Vorhaben besteht darin, ein und denselben Spaziergang über 21 Tage möglichst exakt zu wiederholen. Ausgehend von der Galerie Eigenheim Weimar, führt Tobias Zimmer seinen identischen Spaziergang vom 10. bis zum 30. März, zwischen 13:55  und 14:36 Uhr durch. Sein selbst entwickelter Schrittmacher zeichnet über Mikrofone seine Schritte auf und gibt sie als akustische Gehanleitung während des Spaziergangs am folgenden Tag per Lautsprecher wieder. Die durch den Schrittmacher gewonnenen Daten (Audio & GPS) generieren im Anschluss verschiedene Artefakte, die als Objekte nach und nach den Ausstellungsraum der Galerie füllen.

Mit der Zeit überlagern sich in der Audiospur die gegangen Schritte. Sie vermischen sich während der Spaziergänge mit den Umgebungsgeräuschen zu einer ständig dichter werdenden Soundcollage, in der die Grenze zwischen Signal und Rauschen immer weiter aufbricht und die Tobias Zimmer in und durch den öffentlichen Raum trägt. Gleichzeitig dokumentieren und reflektieren die im Ausstellungsraum generierten Anschauungsobjekte den Verlauf der Routine sowie die Exaktheit ihrer Wiederholung.

Im Versuch der genauen Befolgung dieser technologisierten und meditativen Routine, eröffnet Identical Walk ein thematisches Spannungsfeld zwischen Fragen der Selbstoptimierung, Kontrolltechniken und Kontemplation. Identical Walk macht algorithmische Prozesse erfahrbar, die längst Bestandteil unseres täglichen Lebens sind und dieses unsichtbar begleiten und bestimmen. Internalisierte, algorithmische Denk- und Handlungsweisen kehren sich nach außen und manifestieren sich für die breite Öffentlichkeit als Performance und Kunstausstellung, die eine kritische Haltung zu den Implikationen eines vollends kontrollierten, durchgeplanten Lebens einnimmt. Identical Walk nimmt eine Alltäglichkeit in den Blick, um die Ambivalenz zwischen einer starren Vorstellungen von Selbstoptimierung und der Akzeptanz gegenüber Veränderung als einzige Konstante aufzuweisen. (Text: Michael Fischer)