Goldlauter – ein abgelegener Erholungsort am Fuße des Großen Beerberges, am Südhang des landschaftlich reizvollen Thüringer Waldes, mit seinen weit ausgedehnten Wiesentälern und dichten Wäldern am Rennsteig gelegen, gilt in diesem Fall nicht nur als Verortung des Ursprungs dieser Serie von Blättern von Lars Wild, sondern zugleich als eine Metapher für einen Ort des Rückzuges und der Kontemplation, der seelischen Reinigung und der Weltvergessenheit. Die düsteren Landschaften balancieren dabei zwischen einem schicksalhaften Einschlag eines Kometen oder dem Absturz eines Luftschiffes und dem idyllischen Frieden einer Seenlandschaft oder einem stillgelegten Urlaubsort. Die Landschaften sind jedoch nicht einem real existierendem Vorbild entlehnt, sondern entspringen einzig der Vorstellungskraft des Malers. Über allem scheint eine schwerwiegende Existenzfrage zu liegen. Mystisch düstere, traumähnliche Zustände werden abgebildet und ziehen den Betrachter in den Bann.
Die angewandte Technik des Malers ist dabei bemerkenswert. Der Umgang mit Farbe, ob Öl, Acryl oder Lack, ist unkonventionell, da das jeweilige Material vor allem ab- denn aufgetragen wird. Jeder noch so geringe grafische Eingriff des Künstlers durch kratzen, wischen und schmieren wird zum bildprägenden Element. Dabei ist die Komposition der Bildaufteilung und Farbgebung, sowie das stimmungsvolle Nebeneinander von Hell Dunkel, von so intuitiv wirkender Sicherheit geprägt, dass die Fantasie des Betrachters aus jedem noch so kleinen malerischen Eingriff die Vorstellung eines im Bildraum existierenden Objektes erzeugt. Der hauchfein herausgekratzte Pinselduktus simuliert eine Wasseroberfläche, die sanften, matt in das Papier hineingearbeiteten Farbverläufe lassen voluminöse Wolkenformationen entstehen. Die monochrome, insgesamt sehr reduzierte Farbpalette wird dabei hauptsächlich durch die Farbigkeit des Untergrundes aufgebrochen. Dabei sind Bezüge zur naturalistischen Malerei der Romantik unverkennbar. Das Spiel aus Licht und Atomsphäre empfindet die entmaterialisierten Landschaften und Seestücke eines William Turners oder John Constables nach. Diese Bezüge werden jedoch durch im Raum schwebende, zum Teil undefinierbare, Objekte gebrochen und so zu einem Spiel aus Fiktion und Realität. Rätselhafte Energiefelder, dunkle Wasseroberflächen, uneindeutige, sich doppelnde und in der Tiefe auflösende Horizonte wirken beklemmend geheimnisvoll. Ein Gewaltenspiel zwischen Himmel und Erde, welches symbolisch durch ein phänomenales Lichtspiel unterstützt wird, lässt die Frage, ob es sich um eine Tag- oder Nachsituation handelt, offen. Die Dunkelheit und Ungewissheit der Nacht bricht sich mit dem aufklärerischen Zustand des Tages. Ein unheilvoller Zwischenzustand wird abgebildet. In eine friedfertige Situation scheint ein unvorhersehbares Ereignis herein zu brechen. Zwischen Oben und Unten, Hell und Dunkel, zwischen Himmel und Hölle findet ein Himmelsturz statt und die Apokalypse kann im theologischen genauso wie im säkularen Terminus des Sciencefiction herangezogen werden. In prophetisch-visionärer Bildsprache zeigt uns Lars Wild auf diese Weise eine ganz eigene Version eines Endzeitszenarios auf und scheint vom katastrophalen Ende der Geschichte zu berichten.
Das Personal, welches Lars Wild uns in seinen Portraits zur Verfügung stellt, erinnert an Kosmonauten, an Offiziere und Gefangene, welche aus den jeweiligen Landschaften und Situationen herausgezogen zu sein scheinen. Dämonenhaft, manche bis zur Unkenntlichkeit überzeichnet, wahrscheinlich besessen von Geistern, sind sie geprägt durch die Geschehnisse dessen sie Zeuge waren. Masken und Fratzen sind Teil der Situationen – scheinen Hüter oder Begleiter zu sein – legen Ihre Hand von Hinten auf die Schulter des Protagonisten oder verdecken Ihm die Augen. Jedoch, und wie zum Trotz, lässt Wild hier und da naive, wie aus Kinderhand stammende, grafische Einschübe und Übermahlungen zu, welche uns glauben machen, dass alles sei nur ein Spiel. Die Welt lässt sich mit dem Blick eines Kindes scheinbar neu und ohne Schrecken wahrnehmen. Hier gibt uns Lars Wild einen Ausweg – das Abgründige wird gebrochen und verwandelt sich, einer Schutzfunktion ähnlich, in Märchen die von Krokodilen, Polizeiautos und Quietscheentchen erzählen.
Lars Wild ist 1981 in Gotha geboren, studierte an der Bauhaus-Universität Freie Kunst und ist seit 2007 Künstler von EIGENHEIM Weimar/Berlin. Lars Wild lebt und arbeitet in Gotha.