Weimar

16.06.2021 - 03.07.2021

GENERATION NOW
eine Ausstellung zum Kultursymposium Weimar 2021

Ort EIGENHEIM Weimar
beteiligte Künstler*innen Zara Julius, Li Hanwei, Kristin Jakubek & Emilija Škarnulytė
Eröffnung 16.06.2021 um 19 Uhr im Rahmen des Kultursymposium Weimar 2021
Dauer 17.06. – 03.07.2021
Offen Do. – Sa. von 16 – 19 Uhr und nach Vereinbarung


LINK zur 360° Ausstellungstour

Informationen

Auch 2021 richtet EIGENHEIM Weimar eine das Kultursymposium Weimar 2021 begleitende Ausstellung aus. Das dem Symposium übergeordnete Thema lautet in diesem Jahr „Generationen“ und geht damit auf ein umfangreiches Diskursgebiet ein. Im Rahmen des Symposiums werden dabei am 16. und 17. Juni von über 50 Vortragenden aus 25 Ländern die wichtigsten Generationsfragen unserer Zeit betrachtet, das Erbe der Vergangenheit untersucht und ein Blick auf die Herausforderungen der Zukunft geworfen. So umfangreich wie das Kultursymposium dieses Thema bearbeitet, kann EIGENHEIM Weimar diesen großen Fragen nicht nachkommen. Jedoch verstehen wir die Ausstellung und die Kunst im Allgemeinen als einen Impulsgeber, einen Inspirationsraum und einen Ort, an dem Gedanken und Theorien sowohl manifestiert als auch offen diskutiert werden können. Auf diesem Verständnis aufbauend, hoffen wir das Kultursymposium Weimar 2021 inhaltlich zu ergänzen und die umfangreiche Herangehensweise an das Thema zu stimulieren. Das jedenfalls soll der Anspruch dieser Ausstellung mit vier internationalen jungen künstlerischen Positionen sein.

Als Raum für zeitgenössische Kunst und Kommunikation wollen wir dabei Netzwerkknoten und Diskursraum sein. In diesem Sinne sind wir ein wenig betrübt darüber, dass das Kultursymposium in diesem Jahr pandemiebedingt nicht in unserer direkten Nachbarschaft stattfinden kann. Jedoch sehen wir darin auch Chancen und natürlich, ganz im Sinne der Thematik, auch eine Möglichkeit mit sehr geringer Umwelt- und Zeitbelastung zusammenzukommen, zu diskutieren und sich zu vernetzen. Um die Sichtbarkeit und die Vermittlung der gezeigten Arbeiten im Onlinezeitalter der Pandemie, im Zeitalter der Videotelefonie und virtuellen Ausstellungsrundgänge ideal zu nutzen, sind die vier gezeigten Positionen hauptsächlich Videoarbeiten, welche jedoch im Kern der Arbeit jeweils kaum unterschiedlicher sein könnten.  

So beschäftigt sich Zara Julius, geboren 1992 in Johannesburg, in ihren atmosphärisch dokumentarischen Videoarbeiten u.a. mit der Beziehung zwischen Ästhetik und Kultur, sowie mit der Ethik der Repräsentation – dies wird auch in ihrem mehrteiligen Projekt „Family Matters“ eindrücklich hervorgehoben. Darin untersucht sie Familie als Konzept als auch Strukturen im Kontext externer Systematiken wie Wirtschaft, Patriarchat, der Wahrnehmung von Gender und Race sowie dem spezifischen Umgang damit in Südafrika. Mit diesem intersektionalen Zugang setzte sie für „Family Matters“ drei Videos um. Das erste Video verfolgt das Leben einer Familie, die seit Generationen Teil des Bo-Kaap Klopse, ein Minnesängerfestival, in Kapstadt ist. In ihrem zweiten Video arbeitet sie die Familiengeschichte einer Lemba Familie in Venda auf, die über ihr Leben in der Region und ihren Zugang zum Judentum spricht. Für das dritte Video arbeitet die Künstlerin mit einer Familie aus der Zuckerrohrregion in der Provinz KwaZulu-Natal an der Ostküste Südafrikas. Durch die persönlichen Zeugnisse der Familien Sharma und Madlala erhalten wir einen Einblick in die andauernde Geschichte des Verlusts und das generationenübergreifende Verlangen nach Erneuerung in Folge des britischen Kolonialismus und des rassistisch ausbeuterischen Apartheidregimes in Südafrika.

Dem gegenüber zeigt uns der aus Shanghai stammende und 1994 geborene, Künstler Li Hanwei mit der Arbeit „Subculture Investment Bank (SIB) – Schrein der Einsicht in das Universum der Bilder“ ein auditives und visuelles Bollwerk, wie es zeitgenössischer kaum sein kann. Digitale Bildwelten erinnern an 3D Renderings aus der Industrie- oder Gamingwelt. Schnelle Schnittfolgen, eine noch rasantere Erzählung und sich dramaturgisch aufbäumende elektronische Sounds lassen in eine Zukunft eintauchen, in welcher eine Bank am Ende eines exklusiven Glasfaserkabels, im komplexesten Mehrkörpergebäude des Universums gelegen, in Pixel investiert, sich auf Zentrum der Bilder konzentriert und den Besucher vor Ehrfurcht erstarren lässt. Die Form der Erzählung kommt dabei einem Werbefilm gleich, welcher mit Schlagworten wie Freiheit und Selbstvertrauen, Macht und Reichtum die Großartigkeit der Institution SIB herausarbeitet. Hier wird der universelle Konsum und die Cyber-Kultur der ganzen Welt als Pixel Hub des gesamten Universums vereint und versucht die Natur zu übertreffen. Li Hanwei adaptiert in dieser Arbeit, wie auch in seiner generellen künstlerischen Praxis, Formen aus kommerzieller Werbung und Filmen, die er als Metaphern verwendet. Durch seine Beobachtungen von verschiedenen Kommunikationsmitteln setzt Li Hanwei auf Computer generierte Bilder und Videoeffekte, die Einblick in fiktive Welten geben, in denen Plagiate der realen Welt und Science-Fiction koexistieren, um so Schnittstellen zwischen zeitgenössischen Kulturformen und individueller Identität aufzuzeigen. Deutlich wird das auch in „Subculture Investment Bank“, wobei unklar bleibt, ob diese Bank eine Bank in unserem traditionellen Sinne ist, oder eher einem IT Unternehmen wie YouTube oder Google gleicht. Genau hier aber kommt die Frage nach den ideologischen und ökonomischen Herausforderungen für die nächsten Generationen zum Tragen. Überlassen wir den großen Internetriesen den digitalen Zukunftsmarkt mit all seinen Versprechungen, oder setzen wir diesem humane und nachhaltige Strukturen entgegen. Die überbordende Geschwindigkeit der Erzählung wie auch der Bildwelten kann dabei als überspitzt satirisch oder warnend sensibilisierend gelesen werden. “Subculture Investment Bank - Schrein der Einsicht in das Universum der Bilder” ist ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Shanghai.

Zwischen Fiktion und Dokumentation changiert die installative Videoarbeit „t1/2“ der, 1987 in Vilnius geborenen, Künstlerin Emilija Škarnulytė. Aufbauend auf einer jahrelangen Recherchearbeit in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern unter Einbindung vieler Orte verbindet sie Vergangenheit und Zukunft, indem sie die Erinnerung an die etruskischen Friedhöfe, das Kernkraftwerk in Litauen - eine Zwillingsschwester von Tschernobyl -, das Super-Kamiokande-Neutrino-Observatorium in Japan, die Antimaterie-Fabrik, den Large Hadron Collider am CERN, das Duga-Radar und die U-Boot-Basis des Kalten Krieges oberhalb des Polarkreises erkundet. “t1⁄2“ geht dabei auf einen in der Kernphysik gebräuchlichen Begriff für den radioaktiven Zerfall ein und kann als Metapher für alles was größer als wir und größer ist als das Leben, gelesen werden - ob einer drohenden Klimakatastrophe, ideologischen Konstruktionen, massiven wissenschaftlichen Strukturen oder aktuellen geopolitischen Prozessen. Unter Einbindung  einer mythologischen Figur, erforscht sie somit Orte, an denen zeitgenössisch wie historisch politische Themen durch die Einbindung menschlicher und nicht menschlicher Welten inszeniert werden, in denen sich Grenzen zwischen ökologischen und kosmischen Kräften verschieben und so die Tiefen von Raum und Zeit ausgelotet werden. Damit knüpft die Künstlerin an die Themen Klimawandel und Nukleare Gefahren an und verarbeitet auf eingängige, audiovisuelle Weise wichtige Fragen für zukünftige Generationen mit eindringlicher Poesie und aufklärender Dringlichkeit.

Ann-Kristin Jakubek wurde 1995 in Deutschland geboren und entführt uns in Ihrem Film „A Toothless Grin“ in einen Dialog zwischen einem laborähnlichen Innenraum und Außenaufnahmen von realen und GAN-generierten Naturaufnahmen (Generative Adversarial Network) und beschäftigt sich auf diese Weise mit unserer zunehmenden Loslösung von der Natur. „A Toothless Grin“ thematisiert das Gefühl der Leere, das wir in unserem Alltag zunehmend verspüren und, aktuell verstärkt durch die globale Pandemie, durch digitale Medien und der damit einhergehenden, zunehmenden Entfremdung von der natürlichen Welt, verstärkt wird. Die Natur wird als besondere Antithese zu den alltäglichen digitalen Medien eingesetzt und künstlerisch dekonstruiert. In fließenden Kapiteln bewegt sich die Handlung zwischen zwei verschiedenen Ebenen: Eine Videoperformance in einem stilisierten Innenraum, in dem eine junge Frau zunehmend den Kontakt zu ihrer Umgebung verliert und stattdessen mit ihrem digitalen Bildschirm verschmilzt.

Hervorgehoben werden muss an dieser Stelle sowohl eine Gemeinsamkeit als auch ein Unterschied zwischen den beteiligten Künstlern*innen. Zum einen entstammen alle, zwischen 1987 und 1995 geboren, einer Generation, welche als Generation Y oder Millennials diskutiert wird. Der Buchstabe Y wird englisch why („warum“) ausgesprochen, was auf die teils als charakteristisch für die Generation Y beschriebene Neigung zum Hinterfragen verweisen soll. Dies ist im Kontext der Ausstellung und des Symposiums von Wichtigkeit, da diese Generation in die Themen unserer Zeit in jungen Jahren hineingewachsen ist und aktiv an der Lösung der Herausforderungen dieser beteiligt sein wird. Schauen und hören wir also genau hin und geben genau dieser Generation ein Sprachrohr. Zum anderen stammen die vier beteiligten Künstler_innen aus unterschiedlichsten Erdteilen was auch mit der jeweiligen inhaltlichen Auseinandersetzung korrespondiert. Sie beschäftigen sich mit Familientraditionen in Afrika, dem postsozialistischen Erbe, der Identitätssuche im digitalen Zeitalter und der Abhängigkeit von globalen Daten und Finanzmärkten. Aufbauend auf diesem spannungsreichen Verhältnis aus globalem und generationsspezifischen Zusammenhängen wurde die Ausstellung „Generation Now“ betitelt.

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