»Vielleicht bekannt - aber oft nicht präsent« steht im Fokus dieser Gruppenausstellung, welche die Sichtbarmachung von verschiedenen Orten und Handlungsmustern unserer Gesellschaft thematisiert.
Die sieben Absolventen der Bauhaus-Universität Weimar werfen Fragestellungen zu technischen, biographischen oder kulturellen Phänomenen auf, die subtil oder unbemerkt im Hintergrund ablaufen. Mittels unterschiedlicher fotografischer Methoden, wie konzeptionellen Dokumentationen, der Umgang mit Archivmaterial, performativen (Selbst-)Reflexionen in Video- und Fotoarbeiten nähern sich die Künstler diversen Thematiken, wie Herkunft, Familie, Verlust und Physik. Eines dieser Phänomene ist die Weltmesse für liturgische und kirchliche Kunst und Devotionalien im Nordosten Italiens. Louis De Belle – selbst gebürtiger Italiener – konzentriert sich in seiner Serie „besides faith“ auf die Darstellung der Grauzone zwischen Heiligem und Profanen und enthüllt in seiner Serie ein ungewöhnliches Nebeneinander dieser einzigartigen Handelsbühne. Als Bühnen abstrahierter Visualität präsentiert Johannes Heinke in seiner Arbeit „Fallstudien zur Eventualität“ Simulationszentren von Institutionen wie der Deutschen Bahn oder der Luftwaffe. Über die Ästhetik einer technischen Kulisse verweisen Heinkes Fotografien auf den Drang des Menschen das eigene Schicksal vorwegzunehmen und zu verbessern, unter Zuhilfenahme simulierter Prozesse und virtueller Realität.
Wie ein Fehler, ein Rauschen, ein leeres Papier erscheint Henriette Krieses Arbeit über das SANAA-Gebäude in Essen. Doch nicht existent, nicht materiell und als optische Täuschung zeigt sie das Abbild von einem Fenster, ein Abbild von einem Gebäude, das sich nach außen trägt.
Nora Ströbels Position steht für einen konzeptionellen Umgang mit dem fotografischen Archiv: Sie nähert sich der Tätigkeit ihres Vaters, des Gebäudegutachters Ströbels, in der Arbeit „Die Dringlichkeit der Dinge“. In dieser Arbeit widmet sich die Fotografin nicht nur der Analyse des Vermessens anhand des Bildarchives ihres Vaters, sondern auch um dessen ästhetischen Selbstzweck willen.
Auch Anke Heelemann setzt sich mit ihrer interaktiven Installation „Bildnachrichtendienst“ mit Archivmaterial auseinander: Im Rahmen ihres Langzeitprojekts FOTOTHEK zieht sie mit einer Außenstelle temporär in die Räume der Eigenheim Galerie ein – mit einem Teil ihres Archivs an anonymen Privatfotografien. Ein Serviceangebot lädt den Besucher ein, analoge Bildnachrichten zu verschicken. Man wählt ein Bild aus und hinterlegt es in einem Postfach mit einer kurzen Nachricht für jemanden anders. Das raumgreifende Format setzt das fremde Bildmaterial in neue Zusammenhänge und transferiert es in die Gegenwart. Ein offener Raum für Neu-Verhandlung entsteht, der unsere Kommunikation hinterfragt.
In der Videoarbeit "Käthe und Ich" von Jeanette Goßlau wird die verstorbene Großmutter zur Kunstfigur stilisiert. Die Routinen der Arbeiten in ihrem beschaulichen Dorf ähneln sich nicht nur – sondern wollen scheinbar nie enden. Goßlau führt die Handlungsmuster der verstorbenen Großmutter performativ selbst aus und thematisiert somit nicht nur biographische Prozesse sondern auch das repetitive Handeln als Farce.
Biographische und emotionale Zustände finden sich auch in der poetischen Kollektion "a little deeper than you thought" von Nina Röder wieder. Anhand von performativen Interaktionen der Künstlerin mit absurden biologischen Strukturen und Formen gibt sie Metaphern des „Verlierens und Verlassens“ in einer morbiden Stilistik wieder. Die gezeigte Auswahl ihres Langzeitprojektes zeigt ausschließlich Fotografien, die im Küstenort Rota in Andalusien entstanden sind.
Künstlerwebsites:
www.ninaroeder.de
www.norastroebel.de
www.henriettekriese.de
www.johannesheinke.de
www.louisdebelle.com
www.vergessene-fotos.de
Im Rahmen des EMOP Berlin – European Month of Photography 2016.
Gefördert vom Kreativfonds der Bauhaus-Universität Weimar.
Abbildung: Louis De Belle