Auszüge aus dem Text von Matthias Zwarg (Journalist und Autor)
"Da wird die Sehnsucht nach der Ferne, ganz sicher ein weltweites Phänomen, zunächst aufs Miniaturformat geschrumpft, um ihr dann mit einem simplen technischen Mittel wieder Raum zu geben. (...) Die wiederum sperrt Christiane Wittig manchmal in black boxes (sie können aber auch ganz glasklar, doch ebenso dicht wie ein vergittertes Zimmer sein) – gefangene Sehnsuchtsbilder nach einer „Elfe“ oder der ewigen Stadt, Venedig, die aus unseren Sehnsüchten, gewollt oder ungewollt, manchmal auch nicht mehr macht als eine Sucht, ein Gefängnis, dem wir nicht entkommen können oder wollen. (...)Fast alle Arbeiten Christiane Wittigs leben von der eingefangenen Bewegung, von der Spannung zwischen Technik und poetischen Bildern und einer gewissen Unentschiedenheit zwischen Verharren und Aufbruch, von einer spielerischen Unschärfe – ähnlich wie die Heisenbergsche Unschärferelation in der Physik, die besagt, dass Ort und Impuls eines Teilchens nicht gleichzeitig genau messbar sind, und die damit auch der Natur ein letztes Geheimnis lässt. Christiane Wittig spielt mit dieser Unschärfe, mit Blickwinkeln, mit Geschwindigkeiten, spielt mit dem Sichtbaren, dass immer auch noch etwas Anderes, Unsichtbares zu bedeuten scheint. (...) Christiane Wittigs Kunst ist in Bewegung – so wie sie selbst: Chemnitz, Deutschland, Brüssel und Australien. Unterwegs sieht man viele Himmel – und es ist doch immer der gleiche Himmel. Davon handelt ihre Kunst auch – von immer demselben Himmel über immer derselben Erde oder immer demselben Meer – ganz gleich, wo man sich gerade befindet. Und dieser Himmel öffnet einen poetischen Raum, den Christiane Wittig multimedial und damit ganz zeitgemäß, aber gar nicht auf der Jagd nach irgendwelchen Modernismen, ausfüllt. Laufend, sehend, schauend erkundet sie – mit und ohne Brille - ihre unmittelbare Umgebung: einen Wald, ein Wasser, ein Stück Erde. (...) Und ihr Blick öffnet auch dem Betrachter die Augen, lässt ihn die Bilder, die er sieht, mit den Bildern, die er empfindet, in Beziehung setzen. Mit einer einerseits handfesten, in Objekten manifestierten Poesie, andererseits einer verträumt- phantastisch-unbestimmten Offenheit verbindet sie neue Techniken und Technologien – Videos, Licht, Geräusche, Fotos, Fundstücke – mit Elementen klassischer Kunst und schafft damit etwas Neues, Überraschendes, das sich weniger als elitärer, pretiöser Kunstgegenstand, denn als seinerseits offenes, diskutables Medium manifestiert. So kann man in kleinen Guckkästen aus durchsichtigem Kunststoff auffliegende Vögel durch eine Lupe betrachten. (...) Christiane Wittig spielt mit dieser Unschärfe, mit veränderten Blickwinkeln, mit manipulierten Geschwindigkeiten, Verzögerungen, spielt mit dem Sichtbaren, dass immer auch noch etwas Anderes, Unsichtbares zu bedeuten scheint, mit Brüchen, Vergrößerungen, Verkleinerungen, Verschiebungen der Realität – oft einer ganz unspektakulären wie einem Stück Wald, einer schneebedeckten Wiese, einem goldenen Haar."